Sevil

7. Juni 2018

Am 07.06.2018 mussten wir uns von Sevil verabschieden...

Vor knapp einem Jahr, hatte Sevil sich schonmal entschieden, welchen Weg sie gehen wollte. Sie wollte nicht mehr und sagte mir gegenüber das auch ganz klar.
Damals besuchte ich sie ebenfalls in Aachen in der Klinik und ich war furchtbar traurig, als ich sie verließ, weil ich dachte, ich sehe sie nicht wieder. Es ging ihr nicht gut und ich dachte wirklich, es wäre so weit.

Am 22.07.2017 schrieb ich ihr eine lange Nachricht, telefonieren wollte sie nicht, aber ich wollte ihr noch so viel sagen. Jetzt habe ich mich an diese Nachricht erinnert. Ich habe sie gefunden und immer wieder gelesen. Sie ist so aktuell wie damals und so nutze ich sie jetzt nur etwas aktualisiert für den endgültigen Abschied.

Ich verstehe Dich …

 

Meine liebe Sevil,

was sagt man einem Menschen, der sich entschieden hat, den letzten Weg zu gehen…

Ich sage ganz bewusst nicht, der den Kampf aufgibt, denn dass Du eine große Kämpferin bist, hast Du uns allen gezeigt.

In den letzten sechs Jahren hast Du mich sehr vieles gelehrt. Von Dir habe ich viele Dinge über das Leben gelernt: das Kämpfen, das nicht aufgeben, das mutig und unerschrocken sein.
Ich habe Dich dafür bewundert, wie Du die Dinge gemeistert hast, wie Du erhobenen Hauptes Unmenschliches ertragen hast und ich habe mich oft gefragt, wie Du das schaffst, woher Du diese Stärke nimmst.
Ich hatte oft das Gefühl, dass nicht wir Dich mittragen, sondern, dass Du uns mitträgst. Du hast mich und viele andere bewegt, inspiriert und berührt.
Du hast mir beigebracht, dass auch scheinbar Unmögliches, möglich ist.

Ich habe erlebt, wie aus einem Kind eine junge Frau wurde und ich habe mir gewünscht, dass ich Dich noch viele Jahre begleiten darf.

Aber das Leben nimmt oft keine Rücksicht auf Wünsche.

Es gibt viele Gefühle, die ich nachempfinden kann, weil ich sie selbst schon erlebt habe: Angst, Trauer, Schmerz, Verzweiflung, aber was Du im Moment fühlst, kann ich nicht nachempfinden. Ich spüre nur großen Respekt vor dieser Entscheidung.
Aber wie fühlst Du Dich? Hast Du Angst oder verspürst Du Ruhe, seitdem Du Dich entschieden hat? Hast Du Frieden mit Dir und dem Krebs gemacht?
Denkst Du „Hey Arschloch, am Ende gewinnst Du zwar, aber ich habe Dir gezeigt, wo der Hammer hängt. Ich habe Dir noch sieben Jahre abgenommen“!?

Ich kann verstehen, dass Du nach all den harten Jahren den Frieden suchst, auch wenn der Gedanke für Deine Familie, Deine Freunde und für mich nicht zu ertragen ist.

Ich habe größten Respekt vor Deiner Entscheidung und ich habe immer gesagt: egal, für welchen Weg Du Dich entscheidest, ich gehe ihn mit Dir.

Der Prozess Deiner Entscheidung hat sicher schon vor einer ganzen Weile begonnen. Für Deine Familie ist das alles neu und unerwartet. Deshalb verzeihe ihnen, wenn sie jetzt vielleicht über „das Ziel hinausschießen“. Die Angst um Dich, der Gedanke an ein Leben ohne Dich und die Trauer zerreißen sie. Sie müssen erst lernen, damit zu leben und umzugehen, was Du für Dich längst entschieden hast.

Ich kenne Dich jetzt gut sechs Jahre und in diesen sechs Jahren bist Du mir so sehr ans Herz gewachsen, dass ich sagen kann: ich habe Dich sehr liebgewonnen. Ich bin unglaublich traurig, über das, was kommen wird, aber ich verstehe Deine Entscheidung.

Im Hintergrund sind Deine Fotos offen und ich habe sie mir eben angesehen. Die Jahre ziehen in Bildern an mir vorbei. Bei einigen muss ich schmunzeln…wie Du voller Freude Dein neues iPad auspackst, wie stolz Du im Arztkittel beim Praktikum sitzt, Sevil beim Brotbacken, Sevil bei der Siegerehrung…bei anderen werde ich ganz traurig…Sevil auf der Intensivstation.
Aber: trotz all der Qualen, immer ein Lächeln auf den Lippen.

Ich kann verstehen, dass Du Dich dem nicht mehr aussetzen möchtest.


Du bist ein tolles Mädchen. Du hast es Dir mehr als verdient, dass man Deine Entscheidung akzeptiert und respektiert und ich wünsche Dir, dass es alle schaffen, Deinen Wunsch nach Frieden zu begleiten.

Dieser Schritt ist wohl der mutigste, den Du je gemacht hast.
Ich verneige mich vor einer ganz besonderen und großen jungen Dame!

Ich kann nur hoffen, dass uns genug Zeit bleibt, damit wir uns wiedersehen können.
Fühl Dich umarmt. Dein größter Fan <3

 

Damals „drehte Sevil noch mal um“ und entschied sich anders. Diesmal hat sie entschieden, den Weg bis zum Ende zu gehen ...

Wir haben uns wiedergesehen, ein letztes Mal, und dafür bin ich sehr dankbar!
Danke, dass du auf mich gewartet hast, du weißt warum

Nur wenige Minuten nachdem ich gegangen bin, hat Sevil ihre Flügel ausgebreitet und ist mit den Engeln geflogen

Flieg, mein Schatz, flieg ohne Schmerzen und Ängste, flieg in die Unendlichkeit
Gute Reise, meine liebe Sevil

Sevils Geschichte (geschrieben am 21.02.2013)

Ich hatte ja ursprünglich vor, mich nur auf Kinder in Oberberg zu konzentrieren und ich war ganz erleichtert, als ich sah, dass Düren auch noch so „gerade eben an der Grenze zu Oberberg liegt“.

Letztendlich sind mir „Landesgrenzen“ egal, wenn ich Geschichten wie diese höre:

Als ich am Morgen des 20. Februar 2013 mit Nicks Mutter telefonierte, war sie ganz traurig.

Sie sagte: “Heute Nacht haben wir ein Kind verloren. Ein kleines 4-jähriges Mädchen aus Bulgarien. Sie wurde dort zuerst operiert und behandelt, bevor sie nach Deutschland kam, weil man ihr zu Hause nicht mehr helfen konnte. Doch es war bereits zu spät. Wäre sie von Anfang an in Deutschland behandelt worden, hätte sie sehr gute Chancen gehabt.“

Dieser Satz „wir haben ein Kind verloren“ trifft mich immer besonders tief, weil er ohne jede Hoffnung ist.

Und dann erzählte sie mir von Sevil, die eine Stunde zuvor aus der Amsterdamer entlassen worden war …

Sevil ist 15 Jahre alt und auch ihre Geschichte lässt kaum Hoffnung zu. Schon mit zwei Jahren wurde bei ihr durch Zufall ein „Non Hodgkin Lymphom“ (Lymphknotenkrebs) diagnostiziert und eine Chemotherapie durchgeführt. Im November 2011 klagte Sevil plötzlich über Bauchschmerzen und nach dem üblichen 1. Ärzterätselraten (Verstopfung & Co.) wurde sie nach Köln überwiesen, wo sofort der Untersuchungsmarathon anfing.

Die erste Diagnose: Darmverschlingung.

Sie wurde am 01.12.2011 operiert und im Laufe der Operation stellte sich heraus, dass ein Teil des Darms so verschlungen war, dass man ihn entfernen musste und schickte ihn zur Untersuchung weiter in die Pathologie. Nach ca. einer Woche kam der Befund mit der Horrornachricht „Kolon Karzinom mit K ras Gen“, eine besonders aggressive Form von Darmkrebs.

Jetzt zählte jede Sekunde, um herauszufinden, wie weit er bereits fortgeschritten war und Sevil wurde völlig auf den Kopf gestellt. Die einzige Möglichkeit zur Rettung: man musste den kompletten Tumor entfernen. Aber ob das gelingen würde, darüber gab es verständlicherweise keine konkreten Aussagen.

Im Laufe der nun folgenden acht, neun Operationen wurden ca. 70 cm des Dickdarms, samt Mastdarm, sowie ein Teil des Dünndarms entfernt, weil alles mit mutierten Polypen „wie ein Rasenteppich“ übersät war. Aus einem Teilstück des Dünndarms wurde ein „J“ geformt, welches als Reservoir dienen sollte, um Sevil einen normalen Stuhlgang zu ermöglichen. Leider nahm der Körper das nicht an und die Kombination der Belastung durch die Medikamente, den Katheter und der Chemo, führten erst zu schwerem Durchfall, dann zu einer Entzündung und machten in einer Not-OP schließlich einen künstlichen Darmausgang notwendig.

Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt sagen, ob Sevil die Nacht überleben würde … Sevil lag auf der Intensivstation, wurde beatmet und musste sogar reanimiert werden … das war am 23.12.2011.

Sevil überlebte die Nacht.

Sie wurde extubiert, aber sie war so schwach und niedergeschlagen von der Diagnose, so schockiert von dem künstlichen Darmausgang, dass sie sich selbst aufgab … sie wollte nicht mehr.

Zeitgleich wurden die drei Geschwister von Sevil untersucht, denn es lag der Verdacht nahe, dass es sich um ein „Gen-Problem“ in der Familie handeln könnte. Besonders bei Sevils kleinem Bruder Mert, der damals fünf Jahre alt war.

Gott sei Dank waren alle ohne Befund und auch Sevils Zustand änderte sich langsam zum Besseren, sie begann wieder zu essen und zu trinken … nur diesen Beutel lehnte sie immer ab, sah ihn nie an und weigerte sich, ihn selbstständig zu entleeren … dies war für sie ein striktes Tabu.

Bis ca. Mitte April pendelte die Familie zwischen der Intensiv- und der Kinderstation, bis sie endlich ein paar Tage nach Hause durften. Nach dieser kurzen Verschnaufpause begannen die 12 Chemoblöcke, was hieß: alle 14 Tage für vier Tage in die Klinik, dann 10 Tage nach Hause. Dazwischen die üblichen Nebenwirkungen wie Fieberattacken, miserable Blutwerte, Entzündungen und Infekte.

Der Vater arbeitet als Reisebusfahrer, er ließ sich zeitweise freistellen, die Mutter war damals noch nicht wieder Vollzeit beschäftigt.

Sevils Vater ist es überwiegend zu verdanken, dass Sevil wieder etwas neuen Lebensmut schöpfte. Er überredete sie und machte ihr Hoffnung, wurde ihre engste Beziehungsperson und Papa musste immer mit. Sie akzeptierte niemand anderen an ihrer Seite. Aber das forderte auch seinen Preis … die finanzielle Not wurde größer, weil die Kasse nur Zuschüsse für die Eltern krebskranker Kinder bezahlt, bis sie 13 sind.

Für mich ist das Alter 13 Jahre und Nichtkostenübernahme für die Eltern, in Form von Fahrtkosten, Unterbringung und Verpflegung, der Kasse absolut nicht nachzuvollziehen, ich krieg' das einfach nicht übereinander …. aber gut, es wird eine Altersgrenze geben und Eltern krebskranker Kinder über 13 Jahre verhungern dann eben … unfassbar.

Also tat sich auch in diesem Fall der finanzielle Albtraum auf.

Ende August 2012 lief die letzte Chemo und kurz vor Weihnachten 2012 sollte der künstliche Darmausgang zurückverlegt werden.

Doch kurz vorher bekam Sevil eines Nachts starke Bauschmerzen und wurde als Notfall in die Klinik eingeliefert, wo eine Salmonellenvergiftung festgestellt wurde. Zur Sicherheit wurden wieder diverse Untersuchungen gemacht, ob sich nicht irgendwo noch etwas versteckt hätte.

Alles sah gut aus, ein paar kleine Polypen wurden noch entdeckt und entfernt.

Die ganze Familie wähnte sich über den Berg, freute sich auf ein geplantes Fest, Sevil war glücklich, endlich den Broviac entfernt zu bekommen, wieder schwimmen gehen zu dürfen, den verhassten Plastikbeutel endlich loszuwerden.

Bei der Rückverlegung am 04.02.2013 fand man dann in dem „J“ Bereich, der zwar nicht funktioniert hatte, aber seinerzeit nur stillgelegt und nicht entfernt wurde, wieder einen Polypen.

Dieser Polyp wurde ebenfalls entfernt und auch einige Lymphknoten, die auffällig oder im Wege waren. Auch diese wurden zu weiteren Untersuchungen eingeschickt.

Am 12.02.2013 bekam Sevils Familie dann einen Anruf des behandelnden Arztes, der ihnen mitteilte, dass man ein Gespräch führen müsse.

Dieses Gespräch ließ die Welt für Sevils Familie endgültig zusammenbrechen.

Die entfernten Lymphknoten waren vergrößert und übersät mit Krebszellen, der Krebs hat zudem jetzt auch noch gestreut. In diesem Stadium ist der Krebs nicht mehr zu stoppen. Durch eine weitere Chemo kann man die Lebenszeit um ein paar Monate verlängern, aber ohne Lebensqualität, weil die Chemo zu anstrengend für sie wird. Sie wäre die meiste Zeit in der Klinik.

Jeder kann eine eigene Meinung zu dem Thema haben, aber der Vater hat sich gegen eine weitere Chemo entschieden und ich finde das eine sehr mutige, weise und richtige Entscheidung, was ich ihm auch mitgeteilt habe. Die Ärzte haben Sevil gefragt, ob sie eine weitere Therapie wolle und sie sagte: “Nein, ich will nicht mehr. Ich möchte bei meiner Familie sein.“ Zu Sevils Vater sagten die Ärzte: “Verreisen sie mit ihrer Tochter, genießen sie einfach jede Minute, solange es ihr noch so gut geht und sie die Kraft dafür hat.“

Das letzte MRT zeigt, dass sich noch keine Metastasen in Sevils Kopf gebildet haben. Inwieweit sich Metastasen im Rest des Körpers befinden, wird gerade untersucht und das Ergebnis wird ihnen am 27.02.2013 mitgeteilt. Momentan geht es ihr gut … sieht man sie auf der Straße laufen, sieht man ihr nichts an. Sie ist bisher (fast) schmerzfrei, aber niemand kann sagen, wie lange es ihr „so gut geht“.

Sevil kennt ihren Zustand.

Sie weiß, dass sie unheilbar krank ist, sie kennt aber keine Zeitangaben. Allerdings habe ich gestern Abend mit Sevil eine ganze Weile PN´s hin und her geschrieben und ich habe sie gefragt, was sie sich am meisten wünscht. Ganz oben auf der Liste stehen Disneyland/ Paris und Istanbul, wo ihre Tante lebt.

Im Sommer dieses Jahres, haben wir ihr beide Wünsche erfüllt, mithilfe eines privaten Sponsors, der anonym bleiben möchte.

Juni 2013

Sevil hat sich nun doch zu einer weiteren Therapie entschlossen und sie hat den Kampf wieder aufgenommen …

Durchatmen ...

... Sevil hat die OP heute gut überstanden ... ihr wurde ein Broviac und - wenn ich es richtig verstanden habe - beideseitig je zwei Thermosonden eingesetzt ... übermorgen geht's nach Düsseldorf, wo die Chemo startet ... Sevil bekommt drei Chemoblocks, bevor sie sich der großen OP unterzeihen muss.

Sie ist die mutigste und tapferste kleine Dame, die mir je begegnet ist ... lasst uns in den nächsten Wochen ganz fest an sie denken!

03.09.2013 ungewisse Zeit ...

Um Sevil machen wir uns alle große Sorgen!

Heute wurde ein MRT gemacht – Vorbereitung für die große OP nächste Woche (am 12.09.). Diese OP wird in Düsseldorf erfolgen und sie wird acht bis zehn Stunden dauern.

Ihr werden alle befallenen Organe - soweit möglich - entfernt und die, sie nicht zwingend zum Leben braucht. Danach werden die Organe im offenen Bauch mit einer Chemolösung umspült, die auf 41/42° erwärmt wird.

Ich finde allein die Vorstellung grausam, aber Sevil weiß das alles und sie hat sich entschieden, diesen Weg zu gehen, diesen Kampf zu kämpfen … aber sie hat auch große Angst vor diesem Tag.

Ich habe gestern lange mit ihr geschrieben und wir haben einen neuen Deal … das hat ja schon zwei Mal geklappt.

Ich erzählte ihr, dass mein türkischer Freund gerne noch etwas für sie tun würde und ich sagte ihr, sie solle sich einen Wunsch für die Zeit nach der OP überlegen. Sie freut sich riesig und überlegt auch schon kräftig …

Sevil ist ein unglaublich starkes und tapferes Mädchen … sie wird es schaffen!!!

Ihre Familie möchte ich an dieser Stelle bitten: kümmert Euch um Oli.

Ihm geht es wirklich nicht gut und er kann jetzt jedes tröstende Wort und jede helfende Hand gebrauchen … die nächsten 14 Tage werden für die ganze Familie eine sehr schwere und ungewisse Zeit, eine Zeit, die Euch zusammenrücken lassen muss … in Sevils Sinne …

Wir alle hier begleiten Euch in Gedanken!

16.09.2013 Sevil hat die OP gut überstanden!

Am 12.09.2013 sollte Sevil operiert werden.

Sie lag schon in der OP-Vorbereitung, als auffiel, dass ihre Akte verschwunden war. Die OP wurde dann auf den nächsten Tag verlegt und durchgeführt ... das große Zittern und Bibbern begann, denn der Ausgang dieser OP war ungewiss ... Nach einer 12 Stunden OP, kam Sevil auf die Intensivstation.

Sie lag in einem Bewegungsthermobett, zum einen, um die Körpertemperatur oben zu halten, zum anderen, um der Chemoflüssigkeit das Ablaufen über die Katheter zu erleichtern. Dieser Vorgang kann bis zu zwei Tagen dauern. Zunächst wurde sie noch leicht beatmet, ist aber inzwischen extubiert und es geht ihr gut!

Schon am nächsten Tag bekam ich zwei Fotos von ihr aus der Klinik, die sie in ihrem Bett zeigen - die Finger zum Victory-Zeichen erhoben!

Es ist einfach unglaublich, wie stark und kraftvoll Sevil ist!

Weiter so SUPER WOMAN!

11.11.2014

Also, ich traue es mich jetzt fast nicht zu sagen, weil es eine Nachricht ist, die wir uns alle so sehr gewünscht haben, an die wir auch fast immer geglaubt haben, die aber in manchen Situationen fast schon nicht mehr denkbar war ...

Sevil war heute bei der Untersuchung.

Es wurde u.a. ein Pet/CT gemacht und es wurde ... absolut ... NICHTS gefunden! Der nächste Termin ist erst am 11.01.2015.

Ich fragte sie, was die Ärzte sagen, ob sie sagen, dass sie im Moment krebsfrei ist und die Antwort war "es hört sich so an"!

Erleben wir hier gerade "unser" zweites Wunder!?

Ich persönlich bin grad "völlig weggetreten" und unendlich dankbar für diese Nachricht. Ich kann das jetzt alles überhaupt noch gar nicht in Worte fassen ... wir schreiben gerade über Whatsapp, aber eigentlich kann ich die Buchstaben kaum sehen.

Ich sage jetzt einfach mal DANKE!

Danke an ALLE, die - wie auch immer und irgendwie - an Sevils Geschichte beteiligt waren und sind!
Und vor allem dir, Sevil! Ich habe es schon mal geschrieben und ich schreibe es wieder:

Danke, dass du dich nie aufgegeben hast!!!
Dein Kampf wird hoffentlich mit einem langen, glücklichen, fröhlichen und gesundem Leben belohnt!

 

Ich muss jetzt - glaube ich - einfach mal einen großen Schnaps haben

Freitag, der 13.02.2015 - Der Krebs ist zurück ...

Guten Morgen Ihr Lieben,

tja, also gestern war für uns alle ein GANZ schwarzer Freitag, der 13. und eigentlich weiß ich auch heute noch nicht, wie das in Worte fassen soll ... wir befinden uns alle im Schockzustand, weil niemand zu diesem Zeitpunkt damit gerechnet hat.

Die "eingewachsenen Fäden" haben sich als aktives Tumorgewebe zwischen Haut und Fettgewebe erwiesen, und zwar bis zur Schnittkante, d.h. da ist noch mehr ...

Echte Therapieideen gibt es vorerst nicht, alles, was jetzt kommt, sind weitere Versuche ... In zwei Wochen geht Sevil in die Klinik und dann geht alles von vorne los ...

 

Liebe Sevil,

ich vermag mir gar nicht vorzustellen, wie du dich gestern gefühlt hast, als dir der Mann, der dir vor nur acht Wochen sagte, dass du tumorfrei bist, gestern sagte, dass der Krebs zurück ist.

Hinter dir liegen acht fröhliche Wochen, in dem Bewusstsein, dass du es geschafft hast. Dass dein Kampf belohnt wurde, dass du nun endlich in eine ruhigere Zukunft blicken kannst. Du bist wieder zur Schule gegangen, hast dich über ein tolles Zeugnis freuen können, du freutest dich unbändig auf den schon gebuchten Sommerurlaub, du sahst wunderschön, glücklich und strahlend aus und alle Zeichen standen auf Zukunft.

Über Nacht wird daraus mit einem Satz wieder ein Kampf ums Überleben.

Ich habe nicht nur Angst, dass dein Körper das irgendwann nicht mehr mitmacht, sondern ich habe auch Angst um deine Kinderseele ... wieviel mag da bei diesen Auf´s und Ab's kaputtgehen ... meine größte Angst war, dass du jetzt das Handtuch schmeißt, was ich verstehen könnte, und dann lese ich gestern Abend auf deiner Pinnwand "Aufgeben gibt es nicht. Ich habe mich für die Hoffnung entschieden".

Du weißt ganz genau, was jetzt auf dich zukommt. Die langen Tage im KH, mit all den Untersuchungen, vielleicht Chemo und OPs, die verhassten Abführcocktails, Schmerzen ... Sevil, ich kann kaum erahnen, wie viel Kraft dich das kosten muss und trotzdem entscheidest du dich dafür, für eine Chance auf Hoffnung und auf Leben ... auch, wenn sie klein ist.

Und wieder denke ich: "Diese junge Frau steckt uns hier alle links in die Tasche und recht wieder raus! SO viel Wille, Mut und Unerschrockenheit ist fast schon überirdisch.
DU nimmst es an, dann nehmen wir es auch an!

Dagmar sagte gestern "sie hat einen Auftrag" und ich nehme diesen Gedanken gerne an. Wir alle hier lernen von dir, wie man mit diesem Schicksal umgehen kann und du weißt, dass wir dich alle sehr dafür bewundern! Aber auch wir haben einen Auftrag und der ist ganz klar definiert: Wir gehen mit dir! IMMER! Egal wohin!
Dann drehen wir diese Runde eben auch noch ...

Ich habe gestern sehr viel mit dir geweint, jetzt stehe ich wieder auf, kremple die Ärmel hoch und dann gehts los. Der Dreckskrebs hat vielleicht diese Schlacht gewonnen, aber den Krieg noch lange nicht! Es gibt immer eine Chance, nutze sie, deine Familie, deine Freunde und wir begleiten dich ...

 

NEVER GIVE UP!

Ich habe dich lieb!
Deine Tina

Untersuchungsergebnisse 11.03.2015

Sevils Gespräch vom 11.03.2015

Also, eigentlich weiß man nur, dass man nichts weiß ...

Die Uhr steht wieder auf Null, was ja nicht schlecht sein muss, denn es hat sich auch eine neue Tür geöffnet. Sicher ist nur, dass sich im Narbengewebe weiteres aktives Tumorgewebe befindet. Es handelt sich immer noch um den alten Tumor, von einer vollständigen Remission, wie im Entlassungsbrief vom Dez 2014 geschrieben stand, kann also keine Rede sein.

Auf allen Bildern ist leider nicht zu erkennen, ob sich weiteres Tumormaterial im Bauchraum befindet. Sevil hat sich grundsätzlich für eine weitere HIPEC in Düsseldorf entschieden...und zwar mit einem Lächeln auf den Lippen, als der Arzt sie fragte, ob sie dazu bereit wäre, sagte ihr Vater.

„Ja, mache ich! Ich will leben und gebe nicht auf!“

Ob das zum Tragen kommt, entscheidet sich während der OP, die in ca. zwei, drei Wochen stattfinden wird. Wenn die Ärzte auch im Bauchraum aktives Gewebe finden, wird dieses - soweit möglich - entfernt und dann wird die HIPEC gemacht.

Des Weiteren wird aktives Tumorgewebe und auch gesundes Gewebe entnommen und jeweils nach Heidelberg und in die Stadt mit dem schönen Dom (schönen Gruß auch) für weitere Untersuchungen geschickt.

Ja, Heidelberg ist jetzt auch mit im Boot!

Ganz einfach ausgedrückt:
Die Verfahren in Heidelberg und Köln unterscheiden sich, aber grundsätzlich wird die DNA Struktur des Tumors zerlegt und gezielt ein Medikament „zusammengestrickt“, welches den Krebs zunächst zwar nicht abtötet, ihn aber abkapselt und das Wachstum stoppt. Im besten Fall stirbt er auch irgendwann ab. Es scheint ein solches Medikament auch schon zu geben.

Für Lungenkrebspatienten wurde es schon erfolgreich angewendet, aber Sevil ist eben durch das K-ras Gen ein Spezialfall. Niemand weiß, ob es auch bei ihr greift.
Es würde evtl. eine lebenslange Einnahme erfordern, die aber keine körperlichen Beeinträchtigungen und Nebenwirkungen, wie bei einer Chemo mit sich bringen würde.

Es ist ein Strohhalm, aber es gibt wenigstens noch welche und ich hoffe, dass es irgendwann und irgendwo auf der Strecke einen Treffer geben wird!

Sevil, ich kann dich nur mal wieder bewundern. Dass du dich für eine weitere HIPEC entschieden hast, ist sogar mehr als bewundernswert! Du weißt ganz genau, was auf dich zukommt und du gehst da trotzdem mit offenem Visier rein.

Ich bin nicht so mutig wie du.
Mein Herz wird sehr schwer, wenn ich darüber nachdenke, was für eine schwere Zeit dich nun wieder erwartet.
Als du mir gestern geschrieben hast, war ich sehr berührt, wie „entspannt“ du mit dem Inhalt des Gespräches umgegangen bist.

Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, woraus du deine unmenschliche Kraft schöpfst, aber diese geheimnisvolle Quelle scheint unendlich zu sein.
Ich beneide dich darum ...
Du bist die außergewöhnlichste junge Frau, die mir je begegnet ist!

Du bist die Chefin und gibst die Richtung vor ... wir gehen wieder mit!

Abmarsch...

 

Deine/Eure Tina

Große OP am 02.04.2015 gut überstanden

Guten Morgen Ihr Lieben,

es gibt gute und schlechte Nachrichten, die guten zuerst:
Ihr habt gesehen, dass es Sevil erstaunlich gut geht. Auch die Ärzte sind von ihr begeistert.

Ihr Vater sagte gestern, dass sie alleine isst und trinkt. Sie hat ihn auch schon auf Einkaufstour geschickt und zickt wieder rum, immer ein gutes Zeichen! Bis Sonntag wird sie auf der Intensivstation bleiben. Sie sagte, dass sie uns vermisst. Auf der Intensivstation darf sie nicht ins Internet. Also bereitet Ihr eine Überraschung, postet Lichter, was das Zeug hält, schreibt ihr auf ihrer Seite "Never give up" die Pinnwand voll, oder auch unter diesen Post als Kommi.
Sie ist ein unglaubliches Mädchen, oder!?

Die OP vorgestern war alles andere als ein Spaziergang.

10 Stunden in Narkose und am nächsten Tag sieht sie - vielleicht ein bisschen müde - aber bildschön aus.

Und damit komme ich zu den leider schlechten Nachrichten:

man hat sehr viel mehr als angenommen gefunden. Überall im Bauchraum hat man Metastasen gefunden. Als ich die Liste las, blieb mir die Luft weg:
Aorta, Milz, an den Darmschlingen, an der Bauchdecke, an der Leiste, Blase, Magenwand vorne und hinten.

Dazu kommt, dass sich das Tumorgewebe verändert hat und es per Bilddiagnostik fast nicht mehr zu erkennen ist, weil es dem normalen Gewebe ähnelt. Die HIPEC wurde gemacht, weil sie das Wachstum verlangsamt. Proben wurden entnommen und nach Köln und Heidelberg geschickt. Nun können wir nur hoffen, dass dort jemand ein passendes Medikament "zusammenstricken" kann.

Ich werde jetzt gar nicht viel dazu schreiben, was ihr Vater und ich über die mündliche und schriftliche Aussage "es gelang eine vollständige Remission des Tumors" vom Dezember 2014 denken. Das war vor ziemlich genau nur drei Monaten ...

Als es nach der dritten Antikörpergabe keine Nebenwirkungen gab, war die Aussage, dass man sich das nur so erklären könne, dass es keine Tumorzellen mehr gäbe.
Ohne jede Untersuchung.
Nur ein Verdacht.
Das war zuerst für uns alle eine sensationelle Nachricht.
Wir WOLLTEN das glauben.
Wir WOLLTEN hoffen.
Aber wir fanden die Aussage auch sehr gewagt, Zweifel, die sich ja nun leider im Angesicht dieser verheerenden Diagnose bewahrheiten.

Vor kurzem ging ein Foto von einem Arzt um die Welt, der gerade einen Patienten verloren hatte.

Er kniete vor einer Mauer und weinte.
Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, weil mich das sehr berührt hat.
Für jeden Arzt ist es eine Tragödie, einen Patienten zu verlieren. Zu erkennen, dass man nicht jedem Menschen helfen kann, dass es Dinge gibt, die man einfach nicht mehr in der Hand hat.

Aber es steht immer in ihrer Macht, die Seele des Patienten heile zu lassen.
Ich wünsche mir für die Zukunft einfach etwas mehr Menschlichkeit, mehr überlegte Worte .... Bitte!

Und du, meine liebe Sevil, du stellst alle und alles in den Schatten. Ich glaube, es gibt nichts, was ich nicht schon über dich gesagt habe und es fällt mir schwer, noch mehr Superlativen für dich zu finden. Du bist die einzigartige Sevil, unser Mädchen, das wir lieb gewonnen haben, deren Weg wir mitgehen.
Wer keine Hoffnung mehr hatte, lernt hier neu, was Hoffnung bedeutet.

Niemand hat damit gerechnet, dass dir nun wieder so ein Brocken zwischen die Beine geworfen wird, aber alle hier geben die Hoffnung auch nicht auf.

Hoffnung hat hier einen neuen Namen bekommen:

Sevil - NEVER GIVE UP!!!

05.04.2015

Guten Morgen Ihr Lieben und FROHE OSTERN für Euch alle!

Auch Sevil und ihr Vater lassen Euch herzlich grüßen!

Sevil geht es soweit ganz gut. Ab und zu plagen sie noch Übelkeit und Schwindel und sie darf auch erst morgen auf die normale Station, weil über die Drainagen immer noch zuviel HIPEC Flüssigkeit aus ihrem Bauch abläuft.

Es geht aber grundsätzlich in die richtige Richtung und auch über diese kleinen Schritte freuen wir uns!

Bravo, Sevil!

Sonnige Ostergrüße
Eure Tina

Update August 2015

In den letzten Monaten ist viel passiert...

Alle bisherigen Therapien haben leider nicht den gewünschten Erfolg gezeigt. Aber Sevils Lebenswille ist ungebrochen und aktuell unterzieht sie sich einer neuen, noch unerforschten Therapie, die in Heidelberg entwickelt wurde und die sie in Düsseldorf bekommt.

Sevil musste die Klinik wechseln, weil der ehemals behandelnde Arzt die weitere Behandlung verweigerte.

Diese neue Therapie wurde zunächst von der Kasse angelehnt, aber auf öffentlichen Druck letztendlich doch genehmigt. Zumindest mal für die ersten drei Monate, dann erfolgen weitere Untersuchungen und dann muss man sehen, ob die Therapie anschlägt.

Wenn das so ist, muss Sevil ihr lebenslang jeden Tag drei Tabletten nehmen.

Einfach ausgedrückt:

das Medikament dockt an die Krebszellen an und bringt sie zum Stillstand. Im Labor hat das Medikament bereits Resonanz gezeigt und deshalb sind wir alle zuversichtlich, dass dieses Medikament endlich der Schlüssel zu Sevils Gesundheit ist.

 

Andere Möglichkeiten gibt es sonst auch nicht mehr...

Update November 2015

Der Start in die neue Therapie ist für Sevil sehr mühsam. Immer wieder leidet sie unter einem lästigen, juckenden und schmerzhaften Ausschlag.

Aktuell startet sie mit einem der beiden Medikamente erneut und wir alle hoffen, dass es ohne Nebenwirkungen anschlägt.

Sevil ist voller Hoffnung, bleibt positiv und tapfer!

Sie ist einfach ein tolles Mädchen!

Juli 2016

Ein schwarzer Freitag

Ihr Lieben, ich habe leider keine guten Nachrichten für euch. Ich habe Sevil gefragt, ob ich etwas dazu schreiben soll und sie sagte, das wäre lieb. Wir befinden uns alle noch in einer Art Schockstarre, deshalb heute nur die Fakten:

In Düsseldorf gab es heute Morgen ein Gespräch. Die jüngsten Untersuchungen haben gezeigt, dass das Tumorgewebe weiter gewachsen ist und es auch neue Herde gibt. Die Therapie hat augenscheinlich nicht angeschlagen, neue Ideen gibt es nicht. Vorläufig gibt es keine weitere Behandlung.

Sevil wurde palliativ entlassen.

Die Aussage ist: ihr aktueller Zustand ist sehr gut, sie sieht gut aus, sie fühlt sich gut.
Eine weitere Hipec ist nicht möglich, zu groß wären die Nebenwirkungen.
Jetzt zählt nur, ihr die gute Lebensqualität so lange wie nur möglich zu erhalten.

Ihr könnt euch vorstellen, dass wir uns alle fühlen, als ob wir mit 250 km/h vor eine Betonwand gefahren wären :-(